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von Jörg Schuppener und Winfried Tillmann
Das zum 1. Mai 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) hat zu einschneidenden Veränderungen in den gesetzlichen Bestimmungen zur Führung und Jahresabschlußerstellung von Kapitalgesellschaften geführt. Welche Auswirkungen sich dadurch speziell für die Bonitätsprüfung im Kreditgeschäft ergeben können, wird im folgenden erläutert.
Ausschlaggebend für die modifizierte Gesetzgebung waren zum einen die zahlreichen Unternehmenskrisen in den vergangenen Jahren, zum anderen aber auch die zunehmende Internationalisierung der Kapitalmärkte und eine steigende Globalisierung der Aktionärsstrukturen. Unter dem Druck des internationalen Vergleichs wurden für Deutschland erweiterte Auskunftspflichten und stärkere Kontrollmöglichkeiten für Kapitalgesellschaften gefordert.
Der Ruf nach einer neuen Leitungs- und Überwachungsstruktur, die von den Kapitalgebern als verläßlich angesehen wird, wurde zunehmend lauter. Ziel der neuen Gesetzgebung war es daher, hierfür eine neue rechtliche Grundlage zu schaffen und insofern die Interessen der Eigen- und der Fremdkapitalgeber gleichermaßen zu berücksichtigen.
Die Einführung des KonTraG erfolgt in einer Zeit des internationalen Anpassungs- und Modernisierungsdrucks auf das deutsche Unternehmens-, Rechnungslegungs- und Kapitalmarktrecht. Es befaßt sich in diesem Kontext vor allem mit einer Verstärkung der Einflußmöglichkeiten von institutionellen Kontrollorganen auf Kapitalgesellschaften.
Das KonTraG ist kein neues eigenständiges Gesetz, sondern bewirkt vielmehr Änderungen und Ergänzungen in diversen Wirtschaftsgesetzen, vorrangig dem HGB und dem AktG. Zusammengefaßt beinhaltet es folgende Regelungen:
Zwar trat das KonTraG nach seiner Verkündung am 1. Mai 1998 sofort in Kraft, es bestehen jedoch einige Übergangsregelungen. So sind die wesentlichen Änderungen bezüglich der Inhalte und Prüfung des Jahresabschlusses spätestens auf das nach dem 31. Dezember 1998 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. Eine vorherige freiwillige Anwendung der geänderten Vorschriften durch die Kreditinstitute ist jedoch möglich.
Für Banken ergeben sich aus dem Gesetz zahlreiche Neuerungen, die zu beachten sind. Begleitend zum Gesetzgebungsverfahren war in der Öffentlichkeit z. T. vom Gesetz zur "Bekämpfung der Bankenmacht" die Rede. Dieser Aspekt ist durchaus im KonTraG enthalten und äußert sich im wesentlichen in einer Beschränkung und stärkeren Überwachung der Ausübung von Vollmachtsstimmrechten.
Darüber hinaus ergeben sich für Kreditinstitute jedoch auch Neuerungen durch die veränderten Rechnungslegungsvorschriften ihrer Firmenkunden. Inwieweit diese die Risikokontrolle im Bereich des Kreditgeschäfts beeinflussen, wird im folgenden erörtert.
Das Kreditgeschäft unterliegt fortwährend der Entwicklung neuer Vorgehensweisen und Methoden, um das Kreditrisiko besser quantifizieren und sinnvolle Entscheidungen bei einer Kreditvergabe treffen zu können, bzw. nach Kreditvergabe bei nachlassender Bonität des Kunden rechtzeitig Maßnahmen zur Abwendung einer Unternehmenskrise ergreifen zu können. In der Kreditvergabepraxis werden zu diesem Zweck verschiedene Methoden zur Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Kreditnehmers angewandt.
Die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Firmenkunden basiert nach wie vor maßgeblich auf der in der Regel EDV-gestützten Jahresabschlußanalyse unter Zuhilfenahme von Kennzahlen, Branchen- und Vorjahresvergleichen.
Die Modifizierung der Gesetzesgrundlagen durch das KonTraG in bezug auf die Rechnungslegungsvorschriften verspricht eine verbesserte Datenversorgung der Kreditgeber für eine solche Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und möglicherweise auch eine gesteigerte Einflußnahme auf die Kreditnehmer.
Abbildung 1: Auswirkungen von KonTraG auf die Risikokontrolle bei Kreditvergaben
Der Gesetzgeber hat durch das KonTraG in § 91 Abs. 2 AktG einen Passus aufgenommen, der den Vorstand von Aktiengesellschaften dazu verpflichtet, "...geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden".
Laut Begründung aus dem Regierungsentwurf handelt es sich hierbei um eine gesetzliche Hervorhebung der allgemeinen Leitungsaufgaben des Vorstands, zu der auch die Organisation des Unternehmens gehört. Obwohl diese gesetzliche Neuerung lediglich im Aktiengesetz verankert wurde, ist von einer Ausstrahlung auf andere Gesellschaftsformen auszugehen. In der Regierungsbegründung befinden sich hierzu folgende Ausführungen: "In das GmbHG soll keine entsprechende Regelung aufgenommen werden.
Es ist davon auszugehen, daß für Gesellschaften mit beschränkter Haftung je nach ihrer Größe, Komplexität ihrer Struktur usw. nichts anderes gilt und die Neuregelung Ausstrahlungswirkung auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer auch anderer Gesellschaftsformen hat."
Abbildung 2: Einrichtung eines Überwachungssystems (1)
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Ziel eines solchen Überwachungs- oder auch Risikomanagementsystems (RMS) ist zum einen sicherlich die allgemeine Sicherung des Fortbestands eines Unternehmens.
Darüber hinaus sollte an dieser Stelle aber auch bedacht werden, daß ein Unternehmen nur dann wirklich erfolgreich sein kann, wenn die Geschäftsleitung die Chancen des Unternehmens optimal erkennt und nutzt und zugleich auch die strategischen und operativen Schwachstellen und Risiken am besten kontrolliert und bewältigt.
Ein RMS ist insofern eine operative Notwendigkeit einer jeden Geschäftsleitung. Es dient letztendlich dem Ziel der Vermögenssicherung und Ergebnismaximierung und kann daher zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor des Unternehmens ausgebaut werden. Mit dem KonTraG wird folglich nur die Etablierung eines betriebswirtschaftlich sinnvollen Instrumentariums zur Unternehmenssteuerung gesetzlich reglementiert.
Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, konkrete Inhalte oder Mindestanforderungen zur Ausgestaltung eines RMS vorzugeben. Hier sind ausschließlich betriebswirtschaftliche Aspekte und das Gebot der Zweckmäßigkeit maßgebend. Größe und Art des Unternehmens, die Tätigkeitsfelder und Branchen, Aufbau- und Ablauforganisation oder auch das vorhandene Vermögen bestimmen jeweils individuell die Ausgestaltung.
Aufgabe eines RMS ist die Erkennung aller, d.h. auch latenter Risiken. Diese unternehmerischen Risiken können durch ein RMS nicht vermieden werden, sie sollten allerdings rechtzeitig erkannt, begleitend überwacht und spätestens in dem Zeitpunkt, in dem sie wesentlich für die wirtschaftliche Lage des Unternehmens werden, abgewehrt oder zumindest gemildert werden. Eine Analyse der stark vergangenheitsbezogenen und oft zu allgemeinen Daten aus dem Rechnungswesen ist nicht geeignet, um die stetig dynamischer werdenden Unternehmensprozesse zu steuern.
Damit ein zu installierendes RMS seine Aufgaben erfüllen kann, sind verschiedene Voraussetzungen zu schaffen. Zunächst einmal sollte sich die Geschäftsleitung über die eigentlichen operativen Erfolgsfaktoren des Unternehmens im klaren sein, bevor sie sich den Risiken zuwendet.
Ganz plakativ kann diese Anforderung auf eine einzige Frage reduziert werden: Mit welchen Produkten/Produktgruppen, mit welchen Kunden/Kundengruppen, in welchen regionalen Märkten und über welche Vertriebswege erzielt das Unternehmen gestern, heute und morgen welche Ergebnisse, und welche Ursachen hat diese Entwicklung?
Die äußerst wichtige Beantwortung dieser Frage und Konkretisierung durch plausibles Zahlenmaterial dürfte die Mehrzahl der Geschäftsleitungen unserer stark mittelständisch geprägten Unternehmensstrukturen heute jedoch noch vor ernsthafte Schwierigkeiten stellen.
Abbildung 3: Einrichtung eines Überwachungssystems (2)
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Hier bietet das KonTraG einen guten Ansatz für einen längst überfälligen Umdenkungsprozeß in der deutschen Wirtschaft. Viele Mittelständler halten von solchen für sie theoretischen Ansätzen oder auch einfach nur vom Controlling sehr wenig; mit der Folge, daß sie zu wenig über ihr Unternehmen wissen, was dann wiederum meistens erst in der akuten Krisensituation - wenn überhaupt - erkannt wird.
Bevor sich ein Unternehmer den sehr zahlreichen und größtenteils sehr akademisch anmutenden Ansätzen von Risikomanagementsystemen zuwendet, sollte er sich also zunächst etwas intensiver mit dem eigenen Unternehmen beschäftigen: Womit verdiene ich mein Geld und womit verliere ich eventuell sogar Geld und warum ist das so. Wenn diese Fragen geklärt sind, ist es ebenfalls wichtig - allerdings in dieser zeitlichen Reihenfolge auch leichter - sich über mögliche Störfaktoren oder auch Risiken Gedanken zu machen.
In den Unternehmen lauern je nach Komplexitätsgrad und Struktur des operativen Geschäftes sowie der Größe der Unternehmen Risiken unterschiedlichster Natur wie z.B. Betrugsrisiken, Beschaffungsrisiken, Lagerrisiken, Produktionsrisiken, Absatzrisiken, Gewährleistungsrisiken, Währungsrisiken, Länderrisiken, EDV-Risiken, Umweltrisiken, usw. Aus diesen Risiken gilt es zunächst jene zu identifizieren, die den Fortbestand des Unternehmens unter gewissen Umständen gefährden können. Welche Risiken also genau zu überwachen sind, ist für jedes Unternehmen individuell zu bestimmen. In einem zweiten Schritt müssen für jeden dieser zuvor festgelegten Beobachtungsbereiche Frühwarnindikatoren (Kennzahlen oder Kennzahlensysteme) festgelegt werden. Um eine kritische Entwicklung durch diese Frühwarnindikatoren erkennen zu können, müssen darüber hinaus Sollwerte und Toleranzgrenzen bestimmt werden. Desweiteren müssen Regelungen bezüglich der Verantwortlichkeiten für die Erstellung, Weiterleitung und Dokumentation der Informationen gefunden werden. Diese Elemente stellen bereits das Grundgerüst eines RMS dar.
In der Praxis stellt sich sicherlich die Frage, inwieweit die Einrichtung eines derartigen RMS in wirklich allen Unternehmen stattfinden wird. Wenngleich RMS dieser oder anderer Art durchaus in einigen Unternehmen bereits Einzug gehalten haben, ist doch davon auszugehen, daß besonders bei mittleren und kleinen Kapitalgesellschaften die Geschäftsleitung nicht fähig oder willens ist, ein den Anforderungen entsprechendes RMS zu installieren. Gerade diese Gesellschaften brauchen sehr einfache und pragmatische Ansätze. Diese sollten je nach Vorkenntnissen über das Unternehmen ggf. auch unter Hinzuziehung von Beratern erarbeitet werden, um den gesetzlichen Bestimmungen und den betrieblichen Erfordernissen genüge zu tun. Für den Bereich der Kreditwürdigkeitsprüfung bzw. Kreditüberwachung ergibt sich durch das KonTraG die Möglichkeit, mit Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen die zusätzlichen Informationen einzufordern.
Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Redaktion - der folgenden Publikation entnommen:
Jörg Schuppener / Winfried Tillmann, |
Dipl.-Betriebswirt Jörg Schuppener ist Geschäftsführer und Partner der TMC Turnaround Management Consult GmbH in Dortmund.
Dipl.-Kfm. Winfried Tillmann ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Partner der Dr. Husemann, Eickhoff, Salmen & Partner GbR in Dortmund.
Jörg Schuppener
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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
3. Jahrgang (2000), Ausgabe 9 (September)
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Letzte Aktualisierung: Sonntag, 6. Oktober 2024
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