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von Dr. Werner Gleißner
Durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) von 1998 wurden zunächst Aktiengesellschaften zum Aufbau von Risikomanagementsystemen verpflichtet. Verstärkt wenden sich nun auch mittelständische Unternehmen, Verbände und öffentliche Einrichtungen dem Thema zu. Impulse für eine Beschäftigung mit dem Risikomanagement gehen dabei insbesondere vom Basel II-Akkord und von der Konzeption eines wertorientierten Managements aus. Dr. Werner Gleißner aus Leinfelden-Echterdingen erläutert die Schwächen formaler Risikomanagementsysteme und gibt einen Überblick über die zukünftigen Herausforderungen des Risikomanagements in der Unternehmenspraxis.
Das Basel II-Konsultationspapier liegt seit Jahresanfang 2002 vor. Voraussichtlich ab 2005 müssen danach die Banken und Sparkassen für ihre Kredite - je nach Risikogehalt des jeweiligen Engagements - unterschiedlich viel Eigenkapital vorhalten. Ab 2003 werden die Banken daher aller Voraussicht nach sogenannte Ratings für ihre Firmenkunden erstellen. Diese beschreiben die Risiken und damit die erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit eines Engagements. Stärker als die bisherigen Kreditwürdigkeitsprüfungen werden dabei auch die langfristigen strategischen Zukunftsperspektiven eines Unternehmens berücksichtigt. Unternehmen mit einem schlechten Rating dürften in Zukunft deutlich schlechtere Kreditkonditionen und unter Umständen auch geringere Kreditrahmen zur Verfügung gestellt bekommen.
Auf Grund der bereits jetzt absehbaren Ratingkriterien werden diese Nachteile insbesondere mittelständische Unternehmen treffen - verfügen diese doch vielfach über eine hohe Abhängigkeit von der Schlüsselperson des Unternehmens, Defizite bei den Controlling- und Risikomanagementsystemen sowie einen oft wenig regional diversifizierten Absatz. Die eingehendere Beschäftigung der Kreditinstitute mit den Risiken ihrer Kreditnehmer erhöht den Druck auf die mittelständische Wirtschaft, sich ebenfalls präventiv mit den eigenen Risiken auseinander zu setzen und frühzeitig Rating-Strategien zu entwickeln. Letztere sollen gewährleisten, daß die Unternehmen auch zukünftig einen adäquaten Kreditrahmen zu wettbewerbsfähigen Konditionen von ihren Hausbanken erhalten.
Die Konzeption eines wertorientierten Managements gewinnt mit einiger Verzögerung nun auch in Deutschland immer größere Bedeutung. Bei einem begrenzten Angebot an Kapital und global gesehen unendlich vielen Investitionsmöglichkeiten wird der Wettbewerb um Kapital immer intensiver. Kapitalgeber und Kreditinstitute setzen ihr Kapital dort ein, wo sie den größten Wertzuwachs erwarten können. Der Wert eines finanziellen Engagements hängt sowohl von den zukünftigen Erträgen als auch von den damit verbundenen Risiken ab. Eine Orientierung am Unternehmenswert ist daher eine naheliegende Forderung an die Unternehmensführung.
Alle genannten Aspekte machen deutlich, daß die Bedeutung des Risikomanagements im Kontext der Unternehmensführungsaufgaben weiter zunehmen wird. Die Vorteile eines systematischen Risikomanagements sind offenkundig: Transparenz über die Risikosituation, Frühaufklärung und Krisenprävention sowie die Möglichkeit, bei unternehmerischen Entscheidungen die erwarteten Erträge mit den eingegangenen Risiken abzuwägen.
Oft wird Risikomanagement in Deutschland immer noch als lästige Pflichtübung verstanden und nicht als Kernaufgabe der Unternehmensführung. Formale Risikomanagementsysteme, die durch den Druck des KonTraG aufgebaut wurden, zeigen dabei erhebliche Defizite.
Mit diesen und vielen hier nicht genannten Schwächen wird sich das Risikomanagement in Zukunft auseinandersetzen müssen. Aus der Perspektive des wertorientierten Managements kommt dem Risikomanagement eigentlich ein ähnlich hoher Stellenwert zu wie dem Kostenmanagement oder dem Vertriebsmanagement. Diese Stellung in den Unternehmenssteuerungssystemen und im Selbstverständnis der Unternehmensführung hat das Risikomanagement heute aber noch lange nicht erreicht.
Neben dem Aufbau und dem kontinuierlichen Ausbau von Risikomanagementsystemen besteht die nächste wesentliche Herausforderung für die Unternehmen darin, Rating-Strategien für den Wettbewerb auf dem Kapitalmarkt zu entwickeln. Derartige Rating-Strategien zielen darauf ab, das von den Kreditinstituten wahrgenommene Risiko eines Kreditengagements zu reduzieren.
Erfolgreiches Unternehmertum läßt sich im wesentlichen dadurch charakterisieren, daß der Unternehmer genau die richtigen Risiken eingegangen ist. Erfolgreiche Unternehmer sind also nicht jene, die außergewöhnlich hohe Risiken eingehen. Sie haben vielmehr die Chancen und die damit verbundenen Gefahren gegeneinander abgewogen und die richtigen Risiken realisiert. Aus dieser Perspektive ist Risikomanagement kein formales System, sondern eine Grundhaltung jeglichen unternehmerischen Denkens - also geradezu das Charakteristikum eines Entrepreneurs.
Für die Zukunft des Risikomanagements kann man sich nur wünschen, daß die formalen Risikomanagementsysteme verschwinden und vollständig von Controlling-, Unternehmensplanungs- und Reportingsystemen assimiliert werden. Diese müssen zukünftig nicht mehr nur Plan-Werte, sondern auch Informationen über den Umfang möglicher Abweichungen von diesen Planwerten verarbeiten und transportieren. Der Unternehmensführer wird seine Aufgabe zu einem ganz erheblichen Teil als diejenige eines strategischen Risikomanagers verstehen. Dieser wägt bei allen grundlegenden Entscheidungen die damit verbundenen Chancen und Gefahren gegeneinander ab und geht die - bei heutigem Informationsstand - für die Zukunftssicherung des Unternehmens richtigen Risiken ein. Die Zukunft des Risikomanagements ist also seine vollständige Integration in die Steuerungssysteme des Unternehmens und in die Köpfe und Entscheidungsprozesse der Unternehmer.
Dr. Werner Gleißner |
Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
5. Jahrgang (2002), Ausgabe 6 (Juni)
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Letzte Aktualisierung: Samstag, 7. Dezember 2024
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